Von Kopf bis Fuss
Keimfreie Intimpflege
Von Silvia Aeschbach, 22. August 2018
Kürzlich
erhielt ich ein hübsches Paket von einer PR-Firma. Zuerst dachte ich, es seien
neue Beautyprodukte. Die Muster erinnerten auch daran: Es gab ein Peeling,
einen Cooling Spray, eine Waschlotion und ein nährendes Öl. Stutzig wurde ich
allerdings, als ich einen Mini-Rasierer und ein After-Shave-Deo entdeckte. Ich
brauchte einen Moment, bis mir klar wurde: Dieses ganze Produktesortiment ist
für die weibliche Intimzone gedacht.
Ich war
im ersten Moment etwas überfordert, stamme ich doch aus einer Generation von
Frauen, deren Mütter sich mit süsslich riechenden Intimsprays deodorierten –
aus Sorge, man könnte «da unten» nicht frisch genug sein. Über diese
Einstellung habe ich mich immer lustig gemacht, denn ich bin der Meinung, dass
eine regelmässig, sanfte Pflege ohne Parfums und künstliche Duftstoffe vollauf
genügt. Und dass ein sauberer «Eigenduft», egal ob bei Frau oder Mann, durchaus
seine Vorteile hat. Vor allem, weil inzwischen klar ist, dass
Intimwaschlotionen oder parfümierte Duschgels Irritationen auslösen können.
Denn normalerweise wirkt der niedrige pH-Wert einer gesunden Scheidenflora als
Schutzschild gegen die Besiedelung der Scheide durch Krankheitserreger.
«Leider gibt es auch im Intimbereich masslose
Übertreibungen»
«Im
Zeitalter des Overall-Waxings ist die Aufmerksamkeit für die Intimregion weiter
gestiegen», sagt Professorin Gertrude Beer, Schönheitschirurgin aus
Zürich. «Frauen realisieren, auch durch die sozialen Medien inspiriert, dass
die Intimregionen sehr unterschiedlich aussehen können, und versuchen, wie bei
der Gesichtspflege, ein individuelles Aussehen zu erreichen.» Es sei nur eine
Frage der Zeit gewesen, bis die Schönheitsindustrie hier ein beachtliches
Marktpotenzial erkannt habe.
Nun ist
die Vorstellung von «gepflegtem Aussehen» Ansichtssache. Während die jüngere
Generation dies vorwiegend mit einem haarlosen Körper verbindet, mögen reifere
Frauen durchaus noch eine gewisse, wenn auch gepflegte Behaarung. Dies, weil
sie der Meinung sind, dass die sogenannte «Lolita-Rasur» nicht unbedingt zu
ihrem Körper passt.
«Leider
gibt es auch im Intimbereich masslose Übertreibungen, die Gefahr der
Vereinheitlichung und der Wunsch, einem unerreichbarem Ideal nachzueifern»,
sagt Beer. Hier gehe es nicht mehr um Sprays und Öle, sondern um invasive
Chirurgie und Intimbleachings. Denn der Schambereich soll, so ein neuer Trend,
nicht mehr nur enthaart, sondern auch aufgehellt werden. In verschiedenen
Praxen wird darum mit einem IPL-Gerät gearbeitet, dessen
Lichtimpulse das Melanin
in der Haut zerstören soll. Diese Technik ist eigentlich die gleiche, mit der
Muttermale oder andere Pigmentveränderungen per Laser behandelt werden. «Da die
Intimregion meist sehr empfindlich ist, kann diese Behandlung risikoreich
sein», sagt die Schönheitschirurgin.
Körperpflege,
auch an den intimsten Stellen, ist Privatsache. Allerdings sollte nicht
vergessen werden, dass die unsachgemässe Anwendung – ja, auch von sehr
trendigen Pflegemitteln – zu Hautreizungen, Juckreiz und Pilzerkrankungen
führen kann. Und ob eine aufgehellte Intimzone wirklich lebensverändernd ist?
Stellt sie ein wirkliches Problem dar, dann gratuliere ich zu einem wirklich
sorgenfreien Leben!